Zur Biologie und Ökologie der Dreikantmuscheln Dreissena polymorpha (Zebra-Muschel) und Dreissena rostriformis bugensis (Quagga-Muschel) (Bivalvia: Dreissenidae) sowie zu deren Verbreitung in Baden-Württemberg
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https://doi.org/10.26251/jhgfn.176.2020.319-390Schlagworte:
Dreikantmuscheln, Zebra-Muschel, Quagga-Muschel, Phänotypen, Neobiota, Invasion, Verbreitung, Auswirkungen, Bürgerwissenschaften, eDNA, wissenschaftliches TauchenAbstract
Nichteinheimische Organismen (Neobiota), die durch menschliche Mitwirkung in Gebiete außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes gelangt sind, führen teilweise zu großen Veränderungen der indigenen Floren und Faunen. Weltweit werden biologische Invasionen zu den wesentlichen Faktoren für die Bedrohung, Gefährdung und Verdrängung einheimischer Arten und Lebensgemeinschaften gerechnet.
In aquatischen und terrestrischen Habitaten konnten in Deutschland bisher rund 90 gebietsfremde Molluskenarten nachgewiesen werden. Die Zebra-Muschel Dreissena polymorpha (Pallas, 1771) und die Quagga-Muschel, Dreissena rostriformis bugensis (Andrusov, 1897) sind beide invasive Süßwassermuscheln, die sich in heimischen Gewässern ausgebreitet haben und dies teilweise fast unbemerkt weiterhin erfolgreich fortsetzen.
In den Gewässern sind beide Dreikantmuschelarten wichtige Struktur- und Habitatbildner. Vor allem im Litoral dienen sie als Substrat und Versteckmöglichkeit und generieren damit neue Lebensgemeinschaften mit ihren teilweise sehr auffälligen Begleitfaunen.
Die Zebra-Muschel ist schon seit langem in heimischen Gewässern etabliert. Sie bildet zum Beispiel stabile Bestände im gesamten schiffbaren Rhein und ist im Bodensee als wichtiges Nahrungsangebot für Wasservögel bekannt. Seit wenigen Jahren breitet sich die Quagga-Muschel besonders rasant aus und bildet riesige Bestände im Flachwasserbereich des Bodensees. Auch in tiefen Seebereichen ist sie zu beobachten.
Bezüglich der verschiedenen besiedelten Lebensräume werden für die Quagga-Muschel zwei unterschiedliche Phänotypen beschrieben. Zusätzlich wird im Folgenden von einer auffallend orangefarbenen Variante berichtet. Üblicherweise sind die Siphone der Quagga-Muschel schwarz gefärbt.
Als Suspensionsfresser filtrieren die Dreikantmuscheln große Wasservolumina und verlagern damit auch gleichzeitig Material aus der Wassersäule in das Litoral; somit bewirken sie eine Verlagerung des pelagischen Nahrungsnetzes.
Als r-Strategen pflanzen sich die Dreikantmuscheln über planktotrophe Veligerlarven fort. Bei der Quagga-Muschel geschieht dies das gesamte Jahr über. In diesem Larvenstadium können sich die Muscheln innerhalb des Gewässers schnell ausbreiten. Mit Hilfe des Faserbartes (Byssus) heften sich die Dreikantmuscheln an unterschiedlichen Substraten fest. Als Aufsitzer werden sie an Makrophyten ebenso beobachtet wie auf Schnecken und Muscheln. Die Bildung von Aggregationen ermöglicht nicht nur mehrlagige Bestände, sondern auch die Besiedlung von weichen Sedimentböden.
Ist die Zebra-Muschel mehr oder weniger auf das Litoral beschränkt, so wird die Quagga-Muschel auch in tieferen Gewässerbereichen bis zu 130 Meter Wassertiefe beobachtet. Hierbei spielen verschiedene Parameter wie Temperatur, Strömung, Sauerstoff und das Nahrungsangebot eine wichtige Rolle. So bevorzugt die Quagga-Muschel eher stehende Gewässer.
Für die erfolgreiche Ausbreitung in neue Flussgebiete gelten die Schifffahrtskanäle, welche die einzelnen Flusssysteme verbinden, als wichtige Invasionspfade. Festgeheftet an Schiffs- und Bootsrümpfen gelangen sie so schnell in neue Gewässer.
Im Jahr 2007 wurde die Quagga-Muschel erstmals in Deutschland im Main gefunden, im Jahr 2012 zum ersten Mal in einem isolierten Stehgewässer (Baggersee), und im Jahr 2016 wurde sie zum ersten Mal im Bodensee beobachtet.
Seitdem hat sie sich sehr erfolgreich im Flachwasserbereich ausgebreitet und bildet riesige Bestände. Gleichzeitig hat sie die etablierte Zebra-Muschel mehr oder weniger vollständig verdrängt. Auch in tieferen Seebereichen wird die Quagga-Muschel beobachtet, so unter anderem auch auf dem Wrack des Schaufelraddampfers JURA. Und fast unbemerkt hat die Quagga-Muschel auch andere Seen besiedelt und sich dort ausgebreitet. Die aktuell nachgewiesenen Vorkommen, von denen hier berichtet wird, sind das Ergebnis eines Citizen Science Projektes zum Monitoring der invasiven Quagga-Muschel durch Sporttaucher.
Diese massenhafte Vermehrung und erfolgreiche Ausbreitung hat sowohl ökologische wie ökonomische Folgen, die hier dargelegt und diskutiert werden. Zum besseren Verständnis dieser Vorgänge und ihrer Auswirkungen auf Biozönosen und Ökosysteme werden neue methodische Ansätze – wie Citizen Science Projekte, wissenschaftliches Tauchen und die Verwendung von Umwelt-DNA-Analysen – diskutiert. Damit könnten einige der Wissenslücken in der Invasionsbiologie und -ökologie der Quagga-Muschel geschlossen werden.
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