Digitale Geländemodelle – Rekonstruktion erodierter Landschaften und Quantifizierung von Erosionsprozessen über geologische Zeiträume

Autor/innen

  • Annette Strasser

DOI:

https://doi.org/10.26251/jhgfn.168.2012.075-101

Schlagworte:

Erosion,, Digitales Geländemodell, üddeutschland, Pleistozän, Rhein

Abstract

Als Preisträgerin des Walter-Schall-Preises 2011 werde ich mit dieser Veröffentlichung zusammengefasste Auszüge aus meiner Forschungsarbeit präsentieren. Zusätzliche Details zur Arbeit können aus meiner Dissertation (Strasser 2009) und aus Veröffentlichungen (Strasser et al. 2008, 2010, 2011) entnommen werden.

In Ostwürttemberg gibt es ausgedehnte Reliktflächen einer alten Landschaft, welche seit dem späten Obermiozän von der Donau bzw. ihren Zubringern gestaltet wurde. Weite Teile dieser alten Landschaft wurden durch rheinische Flüsse, die größtenteils der Orientierung der ehemaligen Donau-Zuflüsse folgten, erodiert. Die heutige Landschaft im Raum Geislingen an der Steige und Aalen ist wegen der danubischen Reliktflächen und ihrer Sedimente ein ideales Arbeitsgebiet zur Rekonstruktion ehemaliger danubischer Talböden und zur Modellierung und Berechnung von Landschaftsveränderungen über Zeiträume von mehreren Hunderttausend bis zu einer Million Jahren. Auf der Grundlage eines erstellten hochgenauen digitalen Geländemodells (DGM) mit 5 m Auflösung wurden im Raum Geislingen und Aalen danubische Paläotäler rekonstruiert. Im Leintal bei Aalen konnte zusätzlich aus der Differenz zwischen der alten rekonstruierten danubischen Landoberfläche und der heutigen Landschaft die Gesamterosionsleistung des rheinischen Systems berechnet werden.

Im Arbeitsgebiet bei Geislingen a. d. Steige entspringt 15 km nördlich von Geislingen die Lauter, ein Nebenfluss der Fils. Entlang ihres Oberlaufs kann man auf beiden Talseiten Reste eines pliozänen Talbodens bis nach Treffelhausen verfolgen. Südlich von Treffelhausen wird dieser Talboden von der Eyb zerschnitten. Vom Spätpliozän bis zum Beginn des Pleistozäns wurde dieses Talniveau von einem Vorgänger der Eyb, der Ur-Eyb, gebildet. Mit dem digitalen Geländemodell wurden die noch existierenden danubischen Oberflächenformen über Geländeschnitte und Hangneigungskarten numerisch analysiert. Es war eine exakte Abgrenzung zwischen den danubischen und rheinischen Tälern möglich. Aus den danubischen Oberflächenparametern und aus dem ermittelten Paläogefälle der Ur-Eyb konnte durch Reinterpolation des DGM der ehemalige pliozäne Talboden rekonstruiert werden. Ein Knickpunkt im ermittelten Paläogefälle weist auf eine letzte Hebungsphase auf der Ostalb während des Pliozäns hin.

Im Arbeitsgebiet zwischen Aalen, Abtsgmünd und Schorndorf sind entlang des Leintals die jüngsten Sedimente (Goldshöfer Sande) der danubischen Entwässerung aufgeschlossen. Dieses danubische Flusssystem wurde im Mittelpleistozän von Zuflüssen des Rheins angezapft. Anhand der Basishöhen der Goldshöfer Sande konnte das Paläogefälle der Ur-Lein ermittelt werden. Mit einer Digitalisierung des Paläogefälles als Bruchkante im DGM und einer Reinterpolation der bestehenden Datenpunkte wurde der danubische Talboden der Ur-Lein rekonstruiert. Subtrahiert man das DGM der heutigen Landschaft von dem der Paläolandschaft, so erhält man 1,39 km3 Gesteinsvolumen, das durch die Lein seit der rheinischen Anzapfung erodiert wurde. Über einen Zeitraum von 700 bis 600 ka gerechnet, in der die rheinische Erosion in diesem Gebiet aktiv ist, ergibt sich eine durchschnittliche Erosionsrate im Haupttal der Lein von 63 bis 74 mm/ka.

Die berechnete Erosionsrate im Leintal liegt über der Durchschnittsrate heutiger Flüsse in Südwestdeutschland. Sie reflektiert den klimatischen Einfluss starker und häufiger Temperatur schwankungen und der damit verbundenen Oberflächenprozesse während der Kaltzeiten und während des Übergangs von Kalt- zu Warmzeiten im Mittel- und Spätpleistozän. Reine Nettowerte für die Kalt- und Übergangszeiten des Mittel- und Oberpleistozäns weisen mit 66 bis 77 mm/ka auf eine bis zu 3-mal höhere Erosionsleistung als im Holozän oder in den Warmzeiten hin.

Bei der Berechung von Erosionsraten über digitale Geländemodelle muss eine Volumenkorrektur hinsichtlich der bestehenden Waldflächen und der abgetragenen Sedimentdecken durchgeführt werden. Eine Unterschlagung des abgetragenen Sedimentvolumens der Goldshöfer Sande und der nicht korrigierten Waldflächen hätte bei der Berechung der Erosionsrate eine Abweichung von 23 % verursacht und die Rate auf 49–57 mm/ka verringert, wobei schon allein das Sedimentvolumen eine Abweichung von 20,5 % bewirkt und die Rate auf 50–59 mm/ka senkt. Das numerisch ermittelte Volumen der Waldflächen hingegen macht im Leintal lediglich eine Abweichung von 2,5 % aus.

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Veröffentlicht

2012-12-15