Der Kulkwitzer See (Leipzig, Sachsen) als Referenzgewässer für die neuen Seen der Bergbaufolgelandschaft Mitteldeutschlands – Tauchuntersuchungen zur Ökologie und Biodiversität

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.26251/jhgfn.175.2019.293-387

Schlagworte:

Kulkwitzer See, Referenzsee für Tagebaurestgewässer, Makrophyten, untere Makrophyten-Tiefengrenze, Neobiota, Plankton, Biofilme, Umweltmonitoring, Bürgerwissenschaften.

Abstract

Als künstliches Bergbaufolgegewässer wird der Kulkwitzer See aufgrund seines hohen ökologischen Potenzials – „gut oder besser“ – als Referenzgewässer der Bergbaufolgelandschaft Mitteldeutschlands angesehen und ist ein idealer Maßstab für die neu entstehenden Seen im „Neuen mitteldeutschen Seenland“ („New Central German Lake District“). Insgesamt befindet sich der Kulkwitzer See in Anbetracht seiner außergewöhnlich langen Standzeit von 36 Jahren immer noch in einem sehr guten biologischen Zustand und kann bezüglich seiner trophischen Eigenschaften als oligotroph bezeichnet werden. Seit 1995 betauchen Mitglieder des Tauchsportvereins Leipziger Delphine e. V. den Kulkwitzer See, sammeln biologische Proben und führen ein Makrophyten- und Umweltmonitoring durch. Die Tauchbeprobungen erfolgen mehrmals jährlich vom Frühjahr bis zum Herbst. Entsprechend dem Veranstaltungskalender lädt der Tauchsportverein interessierte Mitglieder zur Teilnahme an diesen sogenannten „Biotagen“ ein. Die unter Wasser gesammelten Proben umfassen sowohl das Makrophyto- und -zoobenthos, Biofilme, als auch das in der Nähe der Wasseroberfläche mittels Planktonnetz filtrierte Plankton. Zusätzlich werden Proben sessiler Organismen an diversen Unterwasser-Tauchausbildungsplattformen gesammelt, die sich im Kulkwitzer See zu „künstlichen Riffen“ entwickelt haben. Die Fischfauna wird fotografisch und videotechnisch dokumentiert. Nach den Tauchgängen erfolgen eine mikroskopische Analyse und Artbestimmung der Proben. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf Neobiota gelegt, die mittlerweile auch in den Kulkwitzer See Einzug gehalten haben. So konnte man im Laufe der Jahre die Neozoen Cordylophora caspia (Keulenpolyp), Potamopyrgus antipodarum (Neuseeländische Zwergdeckelschnecke), Dreissena polymorpha (Zebra-Muschel), Dreissena rostriformis bugensis (Quagga-Muschel), Corbicula fluminea (Grobgerippte Körbchenmuschel), Orconectes limosus (Amerikanischer Flusskrebs), Dikerogammarus haemobaphes (Kleiner Höckerflohkrebs) und Hemimysis anomala (Rotflecken-Schwebegarnele) nachweisen. Zu den Neophyten zählt die Kanadische Wasserpest, Elodea canadensis. Neben der biologischen Probensammlung wird auch ein fotografisches und videotechnisches Makrophyten- und Umweltmonitoring durchgeführt, das entlang ausgewählter Transekten den saisonalen Bewuchs in der Fläche sowie die untere Makrophyten-Tiefengrenze dokumentiert. Letztere liegt im Bereich der Taucheinstiegsstelle E III zwischen einer Wassertiefe von 17-18 m auf einem sehr stabilen Niveau. In den Flachwasserbereichen wird auf Anzeichen von Eutrophierung geachtet, die sich in einem explosionsartigen Wachstum von Fadenalgen, Biofilmen und damit einhergehendem Absterben der Makrophyten zeigen kann. Bislang sind solche Phänomene vorübergehender Natur und auf einige Flachwasserbereiche in sehr warmen Sommern begrenzt und weisen auf einen erhöhten Nährstoffeintrag während der Badesaison hin. Der vorliegende Beitrag soll zeigen, was Tauchsportvereine und ihre Mitglieder als sogenannte „Bürgerwissenschaftler“ zum Naturschutz und zur Analyse der Unterwasserwelt von Seen beitragen können, die oft bei bootsgestützten Beprobungen von der Wasseroberfläche aus nur unzureichend beurteilt und dokumentiert werden können. Insbesondere oligotrophe, nährstoffarme Seen, oft auch als Klarwasserseen bezeichnet, sind durch anthropogene Einflüsse und die damit zusammenhängenden Eutrophierungsprozesse in ihrer einzigartigen Biodiversität und Wasserqualität bedroht.

Veröffentlicht

2019-12-15